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Wer haftet für den Hirnschaden, der durch einen Behandlungsfehler nach einem Verkehrsunfall verursacht wurde? Mit dieser Frage befasste sich das Oberlandesgericht Oldenburg in seinem Urteil vom 8.7.2015 (Az. 5 U 28/15).
Folgendes hatte sich zugetragen: Ein Pkw-Fahrer geriet in Höhe einer Bushaltestelle beim Überholen eines am Fahrbahnrand stehenden Pkw auf die Gegenfahrbahn und erfasste ein ihm entgegenkommendes Kraftrad. Der 42-jährige Kraftradfahrer kam von der Straße ab und prallte gegen einen Baum. Das Unfallopfer war nach dem Zusammenstoß ansprechbar und klagte gegenüber dem Notarzt über starke rechtsseitige Brustschmerzen. Der Geschädigte wurde ruhiggestellt, beatmet und dann in die Klinik gebracht. Dort wurde eine Rippenserienfraktur mit beidseitiger Lungenquetschung und einer Riss-Quetschung am linken Unterschenkel festgestellt. Der Patient wurde auf die Intensivstation verlegt und weiter beatmet. Dort kam es zu einem Zwischenfall: Das Beatmungsgerät gab einen Alarm mit der Anzeige „Tubus blockiert“. Die Situation spitzte sich so zu, dass der herbeigerufene Oberarzt Wiederbelebungsmaßnahmen einleiten musste. Der Geschädigte erlitt einen Hirnschaden.
Geklagt hatte der Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers gegen den Krankenhausträger auf Erstattung der im Rahmen einer Abfindungsvereinbarung mit dem Geschädigten geleisteten Zahlungen.
Das Gericht hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, wer für die eingetretenen ersten Gesundheitsschäden und die sich daraus ergebenden Folgeschäden des Unfallopfers haftet.
Üblicherweise haftet der Erstschädiger auch für die Schadensfolgen, die dem Geschädigten durch einen weiteren Schadensverursacher – in diesem Fall durch den nachbehandelnden Arzt – zugefügt werden.
„Der Erstschädiger haftet für alle adäquat aus seinem Eingreifen resultierenden Geschehen, seien sie auch durch das Dazwischentreten Dritter veranlasst. Wer eine gesteigerte Gefahrenlage schafft, in der ein Fehlverhalten anderer erfahrungsgemäß vorkommen kann, hat für den durch ein tatsächlich eintretendes Fehlverhalten Dritter entstandenen Schaden daher auch selbst zu haften.“ (aus: Luckey, Personenschaden, 1. Aufl. 2013) Damit wird dem Erstschädiger des Verkehrsunfalls nicht nur die zuerst eingetretene, von ihm verursachte Gesundheitsschädigung zugerechnet, sondern auch die späteren durch den Behandlungsfehler entstandenen Gesundheitsschäden.
Nach medizinisch sachverständiger Beratung gelangte der Senat des Oberlandesgericht Oldenburg in Übereinstimmung mit dem Landgericht zu dem Ergebnis, dass dem Oberarzt ein grober Behandlungsfehler vorzuwerfen ist.
Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Verkehrsunfall und dem beim Verkehrsunfallopfer eingetretenen schweren Hirnschaden ist durch den Behandlungsfehler des Oberarztes nicht unterbrochen worden, so das Oberlandesgericht in seiner Urteilsbegründung. Nur bei gröbster Verletzung ärztlicher Standards wird eine solche Unterbrechung angenommen, wobei das Oberlandesgericht darauf hinwies, dass dies nicht schon bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers der Fall ist.
In seinem Urteil führte das Oberlandesgericht weiter an, dass die Grenze, bis zu der der Erstschädiger für die Folgen einer späteren fehlerhaften ärztlichen Behandlung einzustehen hat, in aller Regel erst dann überschritten werde, wenn der die Zweitschädigung herbeiführende Arzt in außergewöhnlich hohem Maße die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhalten zu stellenden Anforderungen außer Acht gelassen und derart gegen alle ärztlichen Regeln und Erfahrungen verstoßen hat, dass der eingetretene Schaden haftungsrechtlich-wertend allein seinem Handeln zugeordnet werden muss.
Diese Voraussetzungen sah das Oberlandesgericht in diesem Fall als nicht gegeben an. Im Verhältnis zum Geschädigten (Außenverhältnis) haften daher der Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers und der Krankenhausträger gemeinschaftlich.
Allerdings unterschied das Oberlandesgericht sehr wohl bei der Haftungsverteilung im Verhältnis zwischen dem Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers und des Krankenhausträgers (Innenverhältnis). Der Senat gelangte zu der Entscheidung, dass der Schaden vom Krankenhausträger alleine zu tragen sei.
Entscheidungserheblich war, dass die unmittelbar von dem Unfallverursacher zu verantwortenden Verletzungsfolgen (Rippenfraktur und Lungenquetschung) neben den Folgen, die von dem Oberarzt des Krankenhauses zu verantworten sind (Hirnschaden) als fast vernachlässigenswert gering anzusehen waren und dass zudem das von dem Oberarzt zu verantwortende Verhalten geeignet war, den Hirnschaden herbeizuführen.
Im Ergebnis entscheidend ist, dass der Geschädigte durch die gegenseitigen Schuldzuweisungen am Ende nicht leer ausgeht. Interessengerecht hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass beide Schadensverursacher im Verhältnis zum Geschädigten haften. Wie dann letztendlich die Haftungsverteilung im Innenverhältnis aussieht, muss den Geschädigten nicht interessieren. Er kann sich folglich mit seiner Forderung nach Schadenersatz und Schmerzensgeld an den ersten Schädiger, den Unfallverursacher, halten.
Irem Scholz Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht
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