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Wieder einmal beschert die im Bereich der zivilrechtlichen Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen extrem zerfaserte Einzelfallrechtsprechung der deutschen Gerichte den Inhabern von Internetanschlüssen eine beachtenswerte Entscheidung. Diesmal zum Vorteil der Anschlussinhaber.
Das AG Hamburg weist in einem Beschluss vom 24.07.2013 den abmahnenden Rechteinhaber, welcher mit dem abgemahnten Anschlussinhaber um die Kosten der Abmahnung sowie den für die Urheberrechtsverletzung zu leistenden Schadenersatz streitet, darauf hin, dass der Streitwert der Sache lediglich mit 1.000 € anzusetzen sein dürfte. Um die Bedeutung dieses Hinweises zu verstehen, welcher noch nicht einem endgültigen und schon gar nicht einem rechtskräftigen Urteil gleichzusetzen ist, bedarf es eines kurzen Rückblicks auf das Prinzip Filesharing-Abmahnung und die bisherige Rechtsprechung.
Bisher gingen die Gerichte deutschlandweit mit wenigen Ausnahmen davon aus, dass bei illegalem Anbieten von Filmen, Musiktiteln oder Computerspielen über sog. Tauschbörsen (Filesharing) Streitwerte in Größenordnungen von 10.000, 25.000 bis teils sogar 50.000 € angemessen seien. Hierbei geht es wohlgemerkt nicht um ggf. zusätzlich zu leistenden Schadenersatz, sondern ausschließlich um die Frage, auf welcher Grundlage das Honorar der die Abmahnung aussprechenden Rechtsanwälte bemessen wird.
Das Rechtsanwaltvergütungsgesetz (RVG) hält hierfür Streitwerttabellen vor, in denen in festgelegten Schritten die Anwaltsgebühren für bestimmte Rechtshandlungen (außergerichtlche Vertretung, Klageerhebung, Wahrnehmung von Gerichtsterminen usw.) definiert sind. Bei einem Streitwert von 10.000 € etwa erhielt der Anwalt für eine Abmahnung ein Honorar von 631,80 € netto (zugrunde gelegt sind die alten RVG-Sätze bis zum 01.08.2013), bei 25.000 € schon 891,80 € netto. Bei diesen Sätzen ist es also für die Inhaber von Internetanschlüssen, welche ja im aktuellen Abmahnzirkus zwangsläufig die Empfänger der Abmahnungen sind, mit einem hohen Kostenrisiko verbunden, sich gegen eine Abmahnung zu wehren. Verliert man den Prozess – und dies war jenseits der Frage “wer ist Täter der Urheberrechtsverletzung” aufgrund der strengen Rechtsprechung zur sog. Störerhaftung zumindest bisher häufig der Fall – drohen erhebliche Kosten.
Das wissen die Abmahnkanzleien und versehen ihre Abmahnungen stets mit mehr oder weniger “fairen” Vergleichsangeboten. Dabei wird dem Abgemahnten eine Erledigung der Sache gegen Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Zahlung des Vergleichsbetrages angeboten. Dieser Betrag stellt eine Mischkalkulation aus Abmahnkosten und Schadenersatz dar und ist für den Abgemahnten nicht weiter nachvollziehbar (Ausnahme: Waldorf Frommer aus München, die z.B. bei Filmen pauschal 450 € Schadenersatz sowie 506 € Anwaltskosten veranschlagen und dies auch aufschlüsseln). Die Beträge schwanken je nach Kanzlei zwischen wenigen Hundert oder mehreren Tausend Euro. Es wird dann so lange Druck auf die Abgemahnten ausgeübt, bis Teil- oder Vollzahlungen erreicht werden. Dabei bewegen sich diese Zahlungen selbst in den “teureren” Fällen letztlich unter dem Kostenrisiko einer gerichtlichen Klärung. Diese Kalkulation ist gleichsam der Motor der seit Jahren laufenden Abmahnwelle.
Nun kommt der Beschluss des AG Hamburg. Der zuständige Richter hat die Verabschiedung des (noch nicht in Kraft getretenen) Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken (landläufig als “Anti-Abzock-Gesetz” bekannt) zum Anlass einer Überprüfung der bisherigen Rechtsprechung genommen.
Dieses Gesetz sieht ab seinem Inkrafttreten eine Streitwertgrenze für derartige Abmahnfälle bei 1.000 € vor. Diese Streitwertfestlegung beabsichtigt das AG Hamburg nun bereits im Rahmen einer richterlichen Ermessensentscheidung anzuwenden. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass der Streitwert bei Abmahnungen wegen urheberrechtlicher Verletzungshandlungen nach bisher geltender (“alter”) Rechtslage gemäß §§ 3, 287 ZPO im Wege tatrichterlicher Überzeugung für den Einzelfall zu ermitteln sei. Folglich stehe es dem Gericht frei, in Abkehr von der bisherigen Praxis die Motive des Gesetzgebers, welche zur Verabschiedung des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken geführt hätten, in seine Erwägungen einfließen zu lassen.
Sollte diese Rechtsauffassung sich durchsetzen, drohen einem Abgemahnten zukünftig “nur” noch Abmahnkosten auf der Basis eines Streitwertes von 1.000 €, so dass, um beim vorstehenden Berechnungsbeispiel zu bleiben, die einfache Gebühr des Abmahnanwaltes sich auf 110,50 € netto zzgl. 20 € Auslagen und MwSt., mithin insgesamt 155,30 € beläuft; ein Betrag, der sich sicher eher verkraften lässt und der eine Verteidigung vor Gericht auch Einkommensschwächeren ermöglicht.
Natürlich haben wir es hier mit einer Einzelfallentscheidung eines Amtsgerichtes zu tun, welcher nicht die Bedeutung einer allgemein gültigen Entscheidung des BGH zukommt. Trotzdem ist das Urteil in zweierlei Hinsicht besonders wichtig.
Zum einen ist das AG Hamburg neben Köln und München sonst durchaus nicht für seine rechteinhaberfeindliche Rechtsprechung bekannt; will meinen, dass zahlreiche Abmahnkanzleien gerne auch dort geklagt haben, weil sie sich der Anwendung der strengen Rechtssprechungsprinzipien zur Haftung von Anschlussinhabern und zu Fragen der Höhe von Verfahrenskosten und Schadensersatz nahezu sicher sein konnten. Ähnliches gilt für die Gerichte etwa in Köln, wo z.B. die Abmahnkanzlei Rasch aus Hamburg gern klagt und München, wo Waldorf Frommer ihren Sitz haben und auch den Schwerpunkt ihrer gerichtlichen Aktivität entfalten. Dass ein bisher aus Sicht der Abgemahnten damit eher kritisch zu bewertendes Gericht eine derart drastische Rechtsprechungsänderung vornimmt, ist daher sehr positiv zu bewerten, auch wenn es sich nur um die Ansicht eines von mehreren Richtern handelt.
Zum anderen könnte die Entscheidung ein Indiz dafür sein, wie zukünftig mit der Streitwertgrenze aus dem Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken umgegangen wird. Der letzte Versuch des Gesetzgebers, eine Kostengrenze für Abmahnungen einzuführen, datiert aus 2007 und trat zum 01.01.2008 in Kraft. Der damals eingeführte § 97a Abs. 2 UrhG sah sogar eine Grenze von 100 € Abmahnhonorar vor, wurde aber von der Rechtsprechung schlichtweg nicht angewandt. Problematisch war die ungeschickte Formulierung der Vorschrift, die das Hintertürchen offen ließ, dann höhere Honorare anzusetzen, wenn die Abmahnung nicht einen “einfach gelagerten [Fall] mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs” betraf; da Filesharing via Internet erfolgt und damit eine unkontrollierbare Zahl von Menschen erreicht, so die Gerichte und die Rechtsinhaber, sei stets eine quasi-gewerbsmäßige Verbreitung gegeben und nie ein einfach gelagerter Fall.
Aufgrund des damaligen Scheiterns der gesetzgeberischen Bemühungen für eine Eindämmung der Abmahnkosten wurde bei dem nun vorgelegten Gesetzesprojekt insbesondere dieser Punkt sehr kontrovers diskutiert. Zumindest ein Richter am AG Hamburg, welcher ausweislich seiner eigenen Ausführungen im genannten Beschluss bisher selbst Verfechter hoher Streitwerte war, scheint nun gewillt, die neue Regelung verbraucherfreundlich umzusetzen – ein in meinen Augen wichtiges Signal.
Es bleibt natürlich abzuwarten, wie das noch laufende Verfahren endet, ob die Klägerin Berufung einlegt und wie die Folgeinstanzen entscheiden werden. Insbesondere muss abgewartet werden, wie sich die übrigen deutschen Gerichte – und übrigens auch die weiteren Richterinnen und Richter beim AG Hamburg – zu dieser Entscheidung stellen werden. Dann wird sich zeigen, ob der Rechtsbereich Filesharing nur um eine Einzelfallentscheidung reicher ist oder ob hier eine Entwicklung hin zu einer verbraucherfreundlichen Lösung derartiger Streitigkeiten eröffnet wurde. Egal wie: endlich einmal wieder eine mutige Entscheidung. [AG Hamburg, Beschl. v. 24.07.2013 – Az. 31a C 109/13]
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